Reisebericht Tierheim Tatabánya, Ungarn

Eine Urlaubsfahrt war das nicht gerade, aber die Erfahrung möchte ich nicht missen.

Eine Urlaubsfahrt war das ganz gewiss nicht, als ich mit kettenlos e.V. nach Ungarn fahren durfte. Bei uns in Nordfriesland ging die Tour abends um 18 Uhr los und ich war ganz schön aufgeregt. Fast 16 Stunden Fahrt im, mit Spenden voll beladenen Sprinter über Tschechien und die Slowakei ins Tierheim nach Tatabánya, Ungarn. Reiseziel irgendwo westlich von Budapest. Was für ein Ritt. Da brauchst du ohne Idealismus gar nicht erst losfahren.

Spätestens morgens um vier, kurz vor Prag im Stau, mit LKW´s um uns rum, soweit das Auge reichte, war es vorbei mit der Romantik. Eine gute dreiviertel Stunde ging nichts mehr. Das kommt gut, wenn man noch rund fünf Stunden Fahrt vor sich, bereits zehn Stunden hinter sich hat und (wie sollte es auch anders sein) seit zwanzig Kilometern eigentlich relativ dringend mal Pippi machen müsste. UND wenn man im Hinterkopf hat, dass der Tag bzw. die Arbeit bei Ankunft im Tierheim erst richtig losgeht.

Da schwante mir das erste Mal, wie wahr doch der Spruch ist, dass Tierschutz nichts für Weicheier ist.


Dann endlich gegen halb elf Ankunft im Tierheim:
Ein Hofplatz, teils mit Platten befestigt, teils mit Schotter, hinter einem großen, zwei Meter hohen Wellblechtor. Ein Flachdachbau und erste Zwinger mit pöbelnden Hunden hinter Sichtschutz, die man mehr hört als sieht, ein Hundepool, ein paar Gartenstühle. Und bereits 27 Grad im Schatten. Das Tierheim war kein Schloss. Nein, natürlich nicht. Aber auch nicht exorbitant schäbig. Mein erster Eindruck? Erstmal unspektakulär. Wobei ich auch nicht konkret sagen kann, was ich dachte, dass ich zu sehen bekäme.

Ankommen, aussteigen, herzliche Begrüßung. Mir war nach einer Dusche, einer Zahnbürste und einem starken Kaffee. Stattdessen gab es viel Staub, viele neugierige sehr nette Hunde, die sich, so schien es, am liebsten am Auspacken beteiligt hätten und (Gott sei Dank) jede Menge Helfer, um die Spenden abzuladen.


Die Hunde:
Nach dem Abladen gab es den ersten Rundgang durch´s Tierheim. Von fünf Monate jungen kleinen Seelen bis hin zu zehn- und zwölfjährigen scheinbar vergessenen Hunden reichte die Spanne. Aufgeweckte erwartungsvolle Hundegesichter hinter Gittern, manche ängstlich oder unsicher, der eine oder andere, der mit Menschen für dieses Leben durch war. Die Tierheimmitarbeiterinnen und auch meine Fahr“kollegin“ von kettenlos gingen sehr routiniert damit um, im positivsten Sinne. Ich dagegen musste an der einen oder anderen Zwingertür ganz schön schlucken. Hier saßen Tiere mit Gepäck. Bei vielen war es nur ein Handköfferchen, bei machen eine ganze Schrankwand. Aber sich ins Eck hocken und sich ein Ströphchen zu heulen, weil die Geschichten, die man über die Hunde und die Dinge die sie erlebt haben, hört, teilweise gruselig sind, hilft hier niemanden.

Die meisten Hunde waren paarweise untergebracht oder wenigstens im Freigang vergesellschaftet, mit Artgenossen kompatibel und dem Menschen zugewandt.

Nach kurzer Verschnaufpause sind wir dann mit einigen Hunden eine kleine Gassirunde gelaufen. Das Gefühl wenigstens ein bisschen was für eine Handvoll Hunde tun zu können, tat gut. Wenigstens mit diesen paar Hunden jetzt mal eine kleine halbe Stunde so tun, als wäre es ein ganz normaler Spaziergang, wie ihn meine Hunde zuhause jeden Tag haben. Es gab Listen abzuarbeiten mit Info-Wünschen aus Deutschland zu dem einen oder anderen Hund, für den es schon Interessenten gab. Wie sieht´s aus mit Leinenführigkeit oder überhaupt Gewöhnung an Halsband/Geschirr und Leine, welche Art Zuhause ist für diesen oder jenen Hund unter Einbezug der Vorgeschichte sinnvoll usw. Auf dem Rückweg zum Tierheim war der Kloß im Hals dann wieder da. Viel zu kurz war der kleine Ausflug, aber nicht zuletzt die Temperaturen ließen keine Gewaltmärsche zu.


Weiterer Ablauf:
Am Tag darauf hatten wir eine Dolmetscherin an unserer Seite damit die Geschichten und Charaktere der zu vermittelnden Hunde bestmöglich protokolliert werden konnten. Der Google-Übersetzer kam doch ziemlich an seine Grenzen und ob ein Hund mit anderen Rüden, mit allen, oder doch eher Hündinnen verträglich war, ließ sich mit Händen und Füßen schlecht kommunizieren.

Zwischendurch hätte ich gern mal die Pause-Taste gedrückt. So viele Eindrücke und so wenig Zeit. Die Fahrer geben ihren Urlaub her für so eine Fahrt, die Tierheimmitarbeiter können nicht tagelang alles stehen und liegen lassen und die Dolmetscherin hat auch nicht ewig Zeit. Also musste die gemeinsame Zeit vor Ort so effektiv wie möglich genutzt werden. Ziel dieser Fahrten ist ja nicht „nur“ Spenden hin- und Hunde mit zurück zu nehmen, sondern vor Ort ein möglichst klares Bild, der zu vermittelnden Hunde zu bekommen. Was für ein Kraftakt!

So viele Hunde. Einer zauberhafter als der nächste. Jeder auf seine Weise und mit seiner eigenen Geschichte. Ich war absolut fasziniert von so vielen unterschiedlichen Hunden auf einem Fleck. Was sie aber alle gemeinsam hatten war, dass sie alle pur waren. Hunde eben. Wenn sie im Freilauf waren pfuschte ihnen niemand dazwischen und das war auch nicht nötig. Bewundernswert wie sie, wenn sie dann an der frischen Luft waren, im Moment lebten und schauten was sie abstauben konnten. Der eine setzte sich mit Charme durch, der nächste mit körperlicher Präsenz, der dritte mit Intelligenz und nutzte das Überraschungsmoment, wenn er sich was von den anderen stibitzte, weil die gerade nicht aufgepasst hatten. Und wieder andere hauten sich einfach in den Schatten und beäugten das Treiben. Da hatte keiner Für-Immer-Privilegien. Und wenn, hat er immer wieder was dafür getan. Der Durchsetzungsstärkere gewinnt. Welcher Weg zum Ziel eingeschlagen wurde, war dabei variabel. Hunde haben keine Moral. Das schöne ist, dass sich unter Hunden keiner daran stößt.

Wenn man sich einen Hund ins Haus holt (egal ob aus dem Tierschutz oder nicht), der, bis er bei uns einzieht, aus einer Welt kommt, mit so feiner Kommunikation und so klaren Grenzen und Konsequenzen, müssen wir uns ganz schön Mühe geben, es genauso gut zu machen, wie Hunde unter sich.


Die Rücktour:
An Tag drei galt es, gleich nach dem Frühstück, den Transporter für die Rücktour aufzurüsten. Boxen für die Hunde autobahnsicher machen, benötigte Papiere ein letztes Mal durchgehen und kontrollieren, die Hunde, die reisen durften noch mal pieschen lassen, mit Wasser für die Fahrt versorgen und die Klimaanlage des Laderaums checken. Die Verabschiedung war nicht weniger herzlich als die Begrüßung und dann ging es um halb zehn auch schon wieder zurück Richtung Deutschland. Wir sind mit „nur“ drei Hunden gereist und die drei haben sich während der gesamten Fahrt gegeben wie die Profis. Alle zwei Stunden kurze Rast, um zu checken ob hinten auch wirklich alles in Ordnung ist und uns die Übertragung der Kamera des Laderaums keine Lügen strafte.

Einer unserer drei kleinen Fahrgäste, der zehnjährige blinde Ray, hat bei einem von uns Fahrern ein Zuhause gefunden, die anderen beiden Vierbeiner haben wir bis Neumünster mitgenommen, wo sie in ihr neues Zuhause aussteigen durften und wir den Transporter an Teammitglieder von kettenlos übergeben haben. Die Trainerin in mir hätte am liebsten eine kleine Ansprache gehalten. Ich hätte sagen wollen: „Seid gut zu ihnen. Seht richtig hin und hört ihnen zu. Und wenn ihr sie nicht versteht, dann holt euch jemanden dazu, der es kann. Bevor es Missverständnisse und Missstimmungen gibt. Sie sind absolut klar in ihrer Kommunikation. Kleine Rohdiamanten.“ Stattdessen hab ich ihnen nur stumm von Herzen ein schönes Leben gewünscht.

Den Rest des Weges haben wir dann im privaten PKW zurückgelegt und nachts um halb eins war das große Abenteuer dann für mich zu Ende.

Fazit:
Ein herzliches Dankeschön an kettenlos e.V., dass ich mitfahren durfte. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen, vor allem was die Einblicke in all das „Hündische“ angeht, die der Aufenthalt vor Ort mir als Bonus beschert hat. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht wirklich anstrengende Tagen waren, aber genauso spannend und aufschlussreich waren sie auch!

Ich ziehe meinen Hut vor dem großen ehrenamtlichen Engagement, das in der Vermittlung auf eine zweite Chance für diese Hund steckt.

Einmal mehr hat sich mir bestätigt, dass Tierschutz, egal ob im In- oder Ausland nichts für Weicheier ist, sondern nur für solche, die weniger reden und mehr anpacken. Die weniger Mitleid und dafür mehr Mitgefühl im Gepäck haben. Die bereit sind hin- statt wegzugucken.

Von Herzen tierische Grüße,

Claudia

Hallo, mein Name ist Claudia,

und du findest mich in Niebüll am nördlichsten Zipfel Nordfrieslands. Hier lebe ich mit meiner Familie und meinen Hunden. Als professionelle Hundetrainerin, zertifizierte Tierheilpraktikerin und Ernährungsberaterin für Hunde bekommst du bei mir die Antworten, die du für dich und deinen Hund suchst.

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